Die Berliner Krebsgesellschaft trauert um Prof. Dr. med. Irene Boll

Prof. Dr. Irene Boll, ehemaliges Vorstandsmitglied der Berliner Krebsgesellschaft e.V.

Irene Boll, zuletzt Chefärztin der II. Inneren Abteilung des Krankenhauses Neukölln und seit 1976 Mitglied der Berliner Krebsgesellschaft e.V., verstarb am 13.Oktober 2013 mit 91 Jahren.

Irene Boll, 1922 in Berlin geboren, kam schon früh mit der Medizin in Berührung. Im Alter von vier Jahren erkrankte sie an einer Schenkelhals-Osteomyelitis mit Brodie-Abzess, in dessen Folge sie über eineinhalb Jahre gepflegt werden musste. Geblieben ist ihr aus dieser Zeit eine lebenslange Körperbehinderung. Trotz oder gerade wegen ihrer persönlichen Krankheitsgeschichte stellte sie ihr Leben mit großer Leidenschaft in den Dienst der Medizin.

1940 begann sie mit dem Studium an der damaligen Kaiser-Wilhelm-Universität zu Berlin und schloss es 1947 mit dem Staatsexamen ab. Nach ihrer Promotion im Jahr 1948 wurde sie vom Hämatologen Professor W.W. Siebert als Assistenzärztin in der Medizinischen Klinik des Krankenhauses Moabit eingestellt. Hier wurde Bolls wissenschaftliches und klinisches Interesse an der Hämatologie und Onkologie geweckt.

Leidenschaftliche Forscherin und akademische Lehrerin

Obwohl sie in der damaligen Zeit als Frau, dazu noch mit einer Körperbehinderung, enorme Hürden zu überwinden hatte, gelangen Irene Boll bahnbrechende Erfolge in der Hämatologie. In den 1950er Jahren begann sie damit Knochenmarkkulturen anzulegen und die Technik so zu verbessern, dass es möglich wurde, die neu zur Behandlung von Leukämien eingeführten Zystostatika in ihrer Wirkung – ohne vorhergehende Tierversuche - auf das menschliche Knochenmark zu testen. Sie machte sich dabei so gründlich an die Arbeit, dass diese Technik für ihr Forscherleben, aber auch für viele nachfolgende Forscher wegweisend wurde.

Gleichzeitig baute sie die Technik der Mikrokinematographie aus, bei der Knochenmarkzellen unter dem Mikroskop in ihrer Bewegung, Teilung und Zellinteraktion lebend beobachtet und im Zeitraffer gefilmt werden. Ihre Untersuchungen mit Hilfe der Mikrokinematographie und der Knochenmarkkulturen brachten entscheidende Impulse für den hämato-onkologischen Forschungsbereich. Als erste Wissenschaftlerin gelang es ihr damit, die verminderte Proliferationskinetik der Leukämiezellen zu beschreiben. Eine Erkenntnis die das gesamte Bild über die Tumorproliferation veränderte.

Die Proliferation der Granulozytopoese wurde schließlich auch zu ihrem Habilitationsthema und brachte ihr die wichtigste Auszeichnung für Deutsche Hämatologen ein: 1964 wurde sie von der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin mit dem Frerichs-Preis geehrt. 1970 wurde ihr eine weitere Auszeichnung zuteil - die Freie Universität ernannte sie zur außerplanmäßigen Professorin an der Freien Universität.

 

Mit Verve vertrat Boll ihr Fach und machte auch die Wissensvermittlung zu ihrer Aufgabe. Viele Beiträge in Standardwerken wie dem „Handbuch der Inneren Medizin“ wurden von ihr geschrieben.

Engagierte Ärztin

Irene Boll war aber nicht nur eine exzellente Wissenschaftlerin, sondern auch eine durchsetzungsstarke und warmherzige Ärztin. Aufgrund ihrer großen klinischen Erfahrungen und hohen wissenschaftlichen Qualifikation wurde Boll im Jahr 1975 zur Chefärztin der II. Inneren Abteilung des Städtischen Krankenhauses Neukölln gewählt – damals ein Meilenstein für Frauen.

Couragiert setzte sie sich für eine bessere Betreuung ihrer Patienten ein und baute Anfang der 1960er Jahre vorbildhaft für ganz Deutschland eine hämatologische Ambulanz auf. Immer war es ihr Anliegen die Hämatologie und Onkologie nicht nur an Universitätskliniken zu betreiben, sondern auch in speziellen Ambulanzen. Diese Ambulanzen waren Vorreiter und Vorbild für die heutigen hämatologisch-onkologische Schwerpunktpraxen.

 

Neben einer Vielzahl von Mitgliedschaften in internationalen und nationalen Fachgesellschaften war sie seit 1976 auch Mitglied der Berliner Krebsgesellschaft. Hier trat sie für eine bessere Versorgung von Krebspatienten vor Ort ein – die Entwicklung von Tumorkonferenzen lag ihr dabei besonders am Herzen. Von 1984 bis 1995 übernahm sie das Amt der Schatzmeisterin im Vorstand der Gesellschaft, zudem war sie viele Jahre Vorsitzende des "Colloquium hämatologicum Berolinense" – eine Tagungsveranstaltung der Berliner Krebsgesellschaft.

Nach zwölfjähriger Chefarzttätigkeit ging Boll 1987 in den Ruhestand. 1988 wurde Irene Boll für ihre Verdienste in der Krebsmedizin mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse geehrt. Irene Boll war ein wandelndes Stück Berliner Medizingeschichte, die einen großen Beitrag für die Emanzipation und Weiterentwicklung des Faches Hämatologie geleistet hat. Wir werden Irene Boll über ihren Tod hinaus als herausragende Forscherin und Ärztin und als ein engagiertes Mitglied des Vorstandes im Gedächtnis behalten.

Vorstand der Berliner Krebsgesellschaft e.V.
21. November 2013

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