Die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung hat auf die schriftliche Anfrage des SPD-Abgeordneten Thomas Isenberg (SPD) vom 4. September 2018 Antwort gegeben. Der Abgeordnete hat wissen wollen, wie die Senatsverwaltung den Bedarf an psychoonkologischer Beratung von Krebspatienten im Land Berlin einschätzt, wer diese Leistung heute erbringt und wer die Kosten dafür trägt.
Die Senatsverwaltung hat in der von ihr verfassten Antwort vom 24. September 2018 keine Bedarfseinschätzung vornehmen können und eingestanden, dass der Bedarf an psychoonkologischer Beratung aufgrund der Schwere der Erkrankung nicht von der Hand zu weisen sei. Weiter stellt die Senatsverwaltung richtig dar, dass die ambulante psychoonkologische Beratung heute überwiegend durch vier gemeinnützige Berliner Vereine geleistet wird, von denen drei weder Fördermittel noch andere Unterstützung erhalten und das Angebot mit eigenen Mitteln finanzieren müssen. Die Einführung einer Regelfinanzierung, die derzeit durch die Bundesregierung vorbereitet würde, könnte eine Unterstützung für die Vereine darstellen, so die Senatsverwaltung weiter.
Nur, wer finanziert die ambulante psychoonkologische Versorgung bis es soweit ist?
Für die Berliner Krebsgesellschaft ist der Bedarf unstrittig. "Steigende Fallzahlen, kürzere Liegezeiten und noch mehr Zeitdruck an den Kliniken führen dazu, dass immer mehr Menschen auf der Suche nach ambulanter Hilfestellung sind.", erklärt Prof. Dr. med. Petra Feyer, Vorsitzende der Berliner Krebsgesellschaft die Situation. Rund 30 % aller Betroffenen benötigen im Laufe ihrer Erkrankung psychoonkologische Hilfe und 40 % den Rat eines Sozialarbeiters, das zeigen Studiendaten, die zur psychosozialen Versorgung von Krebspatienten erhoben wurden. Professionelle Unterstützung ist immer dann erforderlich, wenn die eigenen Ressourcen für die Krankheitsbewältigung nicht ausreichen. Im Jahr 2015 lebten in Berlin rund 39.400 Männer und 48.600 Frauen*, bei denen in den vergangenen zehn Jahren Krebs diagnostiziert wurde. Selbst wenn nur jeder dritte eine psychosoziale Beratung benötigt, könnten die wenigen psychoonkologischen Beratungsstellen den Bedarf nicht decken.
Die Berliner und die Deutsche Krebsgesellschaft haben bereits mehrere Male darauf hingewiesen, zuletzt auf dem 33. Deutschen Krebskongress, dass es Angebotsdefizite bei der ambulanten psychosozialen Versorgung von Krebspatienten gibt. Das liegt vor allem an der ungeklärten Finanzierung solcher Angebote. Gemeinnützige Träger wie die Berliner Krebsgesellschaft e.V. schließen seit Jahren einen Teil der akut klaffenden Versorgungslücke. Aber sie allein können den Bedarf nicht decken. Es fehlt an Geldmitteln und auch an qualifizierten Kräften. "Wir stoßen an die Grenzen unserer Möglichkeiten", sagt Prof. Dr. med. Petra Feyer, Vorsitzende der Berliner Krebsgesellschaft. "Seit Jahren bringen wir 100 Prozent der Kosten selbst auf, obwohl die psychosoziale Beratung als notwendig erachtet und von jedermann gefordert wird. Wir können die finanziellen Mittel kaum noch erwirtschaften, denn dafür bleiben nur Spenden und die nehmen ab.", so Feyer.
Dass der Versorgungsbedarf hoch ist, wurde bereits im Nationalen Krebsplan und in der S3 Leitlinie Psychoonkologie reflektiert. Entsprechende strukturelle Veränderungen bleiben jedoch aus, weil die Finanzierung bis heute ungeklärt ist. Die Deutsche Krebshilfe und die Deutsche Krebsgesellschaft haben deshalb in einem 2015 veröffentlichen Positionspapier eine geregelte und zuverlässige Vergütung psychoonkologischer Leistungen für alle Sektoren gefordert. Der Bund hat daraufhin eine Regelfinanzierung für 2020 in Aussicht gestellt.
Doch an wen kann sich der Patient in der Zwischenzeit wenden? Ihm bleiben nur die wenigen ambulanten Krebsberatungsstellen, die jetzt schon am Limit sind und überdies nicht wissen, wie sie ihr Angebot im nächsten Kalenderjahr finanzieren sollen. "Wir wünschen uns dringend Unterstützung vom Berliner Senat bei der Bewältigung dieser Aufgabe.", sagt Prof. Dr. med. Jens-Uwe Blohmer, 1. stellvertretender Vorsitzender der Berliner Krebsgesellschaft. "Wenn das bislang gute ambulante Beratungsangebot in Berlin erhalten bleiben soll, dann sollte das Land Berlin auch eine Förderung festsetzen. Es leuchtet nicht ein, dass Millionen im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs für Forschung und Prävention ausgegeben werden und die psychosoziale Betreuung aus Spendengeldern oder von Patienten selbst finanziert werden muss."
*Datenquelle gemeinsames Krebsregister, Registrierungsstand: 30.11.2017
Über die Krebsberatungsstellen der Berliner Krebsgesellschaft
In den Beratungsstellen geben wir Krebsbetroffenen und ihren Angehörigen Hilfestellungen für ein Leben mit und nach einer Krebserkrankung. Das Spektrum der Belastungen und Probleme der Betroffenen ist groß und hängt stark vom Alter und der Art der Erkrankung ab. Menschen im mittleren Lebensalter sind überdurchschnittlich häufig von Mehrfachbelastungen betroffen, wohingegen ältere Menschen mit Komorbiditäten und sozialer Vereinsamung kämpfen und jüngere Menschen es schwer haben, überhaupt eine Lebensperspektive zu finden. Die Beratungsstellen der Berliner Krebsgesellschaft sind niedrigschwellige Anlaufstellen in allen Krankheitsphasen und unabhängig vom Alter oder dem Problem des Betroffenen. Wir beraten kostenfrei, unabhängig und zu psychologischen sowie sozialen Problemstellungen in den Bezirken Mitte, Wedding, Spandau und Treptow-Köpenick. Im Vorjahr haben die geschulten Berater rund 700 Krebsbetroffene in mehr als 3.000 Gesprächen zu ihrer Erkrankung beraten. Wir freuen uns, wenn Sie diese Mitteilung in Ihrer Berichterstattung berücksichtigen.
Für Rückfragen zur Pressemitteilung oder für ein Interview steht Ihnen Frau Prof. Dr. med. Feyer jederzeit gerne zur Verfügung. Tel.: 030 - 280 41 955