Curt Meyer-Gedächtnispreis 2012 verliehen

 

v.l.n.r. Prof. M. Dietel, H. Jing, Dr. J. Kase, Prof. P. M. Schlag

Wissenschaftlern von der Charité – Universitätsmedizin Berlin und vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch ist es gelungen, eine neue Untergruppe von Lymphompatienten zu identifizieren – was für künftige zielgerichtete Krebstherapien von großer Bedeutung ist. Für diese Entdeckung wurden die forschende Klinikerin Dr. med. Julia Kase (Charité) und die Naturwissenschaftlerin Hua Jing (MDC) gestern Abend mit dem Curt-Meyer Gedächtnis-Preis 2012 der Berliner Krebsgesellschaft ausgezeichnet.

Signalwege spielen eine Schlüsselrolle in der Entwicklung und Entstehung von Krebs. NF-kappaB ist einer von zahlreichen Signalwegen, dessen Überaktivität bei einigen Tumoren, insbesondere beim Lymphdrüsenkrebs (Lymphom), im Allgemeinen mit einer schlechten Prognose einhergeht.

In ihrer nun ausgezeichneten Forschungsarbeit haben die beiden Krebsforscherinnen eine auf den ersten Blick widersprüchliche Entdeckung gemacht: Bei bestimmten Lymphomen ist NF-kappaB gerade notwendig, um im Zusammenspiel mit Chemotherapie ein Zellwachstums-Stopp-Programm (Seneszenz) auszulösen. Ferner konnten sie nachweisen, dass diese bislang unbekannte Untergruppe von Lymphompatienten besonders gut von Chemotherapie profitiert.

„Diese Erkenntnisse rücken die Rolle von NF-kappaB in ein neues Licht und liefern wichtige Hinweise, um bei zukünftigen zielgerichteten Therapien geeignete Patientengruppen auszuwählen“, sagte Prof. Dr. Manfred Dietel, Vorstandsmitglied der Berliner Krebsgesellschaft gestern Abend bei der Preisverleihung. „Mit ihrer Arbeit haben Dr. Julia Kase und Hua Jing eine großartige Leistung in der Krebsforschung erbracht, die wir mit dem Curt Meyer-Gedächtnispreis 2012 würdigen wollen.“

Die Forschungsergebnisse helfen, therapierelevante Patientengruppen auszuwählen

Vor dem Hintergrund, dass derzeit Hemmstoffe (Inhibitoren) entwickelt werden, mit denen man den Signalweg NF-kappaB künftig gezielt hemmen will, hat die im renommierten Fachmagazin „Genes & Development“ publizierte Arbeit* bereits für internationales Aufsehen gesorgt. „Wir konnten erstmals nachweisen, dass NF-kappaB zwei Gesichter hat und es eine Untergruppe von Lymphompatienten gibt, bei denen die Hemmung des aktivierten Signalwegs eher nicht sinnvoll scheint“, betonte die Preisträgerin Dr. Julia Kase. „Jetzt müssen weitere Untersuchungen folgen, damit diese Erkenntnisse in die Klinik übertragen werden können.“ Julia Kase nahm die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung gemeinsam mit Hua Jing entgegen. „Es ist eine große Ehre für uns, dass unsere Forschungsarbeit mit dem angesehenen Curt Meyer-Gedächtnispreis gewürdigt wird und ein ganz besonderer Ansporn, weiter an der großen Herausforderung Krebs zu forschen“, so Hua Jing.

Im Jahr 2009 begannen die beiden Wissenschaftlerinnen ihre Forschungsarbeit im Rahmen eines Kooperationsprojektes zwischen Charité und MDC unter der Leitung von Prof. Dr. med. Clemens A. Schmitt, Direktor des molekularen Krebsforschungszentrums der Charité und Forschungsgruppenleiter am MDC. Ihren Verdacht, dass NF-kappaB in einem bestimmten Setting benötigt wird, damit die Chemotherapie das Wachstums-Stopp-Programm auslösen kann, konnten die Krebsforscherinnen zunächst an einem Lymhommodell bestätigen. Daraufhin haben sie am Tiermodell die genetischen Bedingungen humaner Lymphomerkrankungen nachgestellt und verschiedene Netzwerkeinbettungen bzw. Verschaltungen von NF-kappaB überprüft. Durch eine Reihe von funktionellen Untersuchungen und das Zurückspielen der Tiermodelldaten auf reale Patientendaten gelang es den beiden Krebsforscherinnen, eine bisher unbekannte klinisch relevante Gruppe von Lymphompatienten zu identifizieren. Bei dieser Gruppe liegen andere Verschaltungen des Signalwegs vor, die zu einem anderen biologischen Verhalten des Tumors führen, als es normalerweise der Fall ist.

„Bis zur Publikation unserer Arbeit hätte man erwarten dürfen, dass die Hemmung dieses offensichtlich ungünstigen Signalwegs eine gute Therapiestrategie ist. Jetzt sagen die Daten: bevor Lymphompatienten Hemmstoffe erhalten, sollten die molekularen Zusammenhänge geklärt werden“, erläuterte Forschungsgruppenleiter Clemens A. Schmitt die Bedeutung der Forschungsergebnisse mit Blick auf künftige klinische Studien. „Wie wir jetzt wissen, profitiert die von uns entdeckte Patientengruppe besonders gut von Chemotherapie, aber vermutlich nicht von einer zielgerichteten Therapie gegen NF-kappaB.“

Über die Preisträgerinnen

Dr. med. Julia Kase (30) ist an der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie am Campus Virchow-Klinikum der Charité – Universitätsmedizin Berlin als Ärztin und klinische Forscherin tätig. Ihr starkes Forschungsengagement wird durch das Programm „Charité Clinical Scientist“ gezielt unterstützt.

Hua Jing (28) forscht im Rahmen ihrer Doktorarbeit am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch ebenfalls in der molekularonkologischen Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Clemens Schmitt.

Über den Curt Meyer-Gedächtnispreis

Seit 1988 verleiht die Berliner Krebsgesellschaft den Curt Meyer-Gedächtnispreis an junge Wissenschaftler, die an Berliner Forschungseinrichtungen tätig sind, für herausragende Arbeiten auf dem Gebiet der klinischen, experimentellen und translationalen Krebsforschung. Dotiert mit 10.000 Euro zählt der Forschungspreis zu den höchst dotierten Auszeichnungen in Deutschland auf dem Gebiet der Krebsmedizin. Der Preis dient dem ehrenden Gedächtnis an den Berliner Senatsrat Dr. med. Curt Meyer (1891-1984). Die Berliner Krebsgesellschaft e.V. ist aus dem Landesausschuss Berlin für Krebsbekämpfung e.V. hervorgegangen, dessen Gründungsmitglied und langjähriger Vorsitzender Dr. Curt Meyer war.

* Opposing roles of NF-kB in anti-cancer treatment outcome unveiled by cross-species investigations. Jing H, Kase J, Dörr JR, Milanovic M, Lenze D, Grau M, Beuster G, Ji S, Reimann M, Lenz P, Hummel M, Dörken B, Lenz G, Scheidereit C, Schmitt CA, Lee S. Genes Dev. 2011 Oct 15;25(20):2137-46. doi: 10.1101/gad.17620611. Epub 2011 Oct 6. PMID: 21979374 [PubMed - indexed for MEDLINE]

Bild v.l.n.r.: Prof. M. Dietel (stellv. Vorstandsvorsitzender Berliner Krebsgesellschaft), H. Jing (Preisträgerin), Dr. J. Kase (Preisträgerin), Prof. P.M. Schlag (Vorstandsvorsitzender Berliner Krebsgesellschaft)

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