„Die Berliner sind aufgeschlossen für soziale Fragen“

Der Vorsitzende der Berliner Krebsgesellschaft Professor Peter M. Schlag über die neu gegründete „Krebsstiftung Berlin“ und warum eine Stiftung zum Wohle krebskranker Menschen gerade in Berlin auf fruchtbaren Boden stößt.

Herr Professor Schlag, kurz vor Weihnachten hat die Berliner Krebsgesellschaft eine neue Krebsorganisation ins Leben gerufen: die Krebsstiftung Berlin. Glauben Sie, das vorweihnachtliche Geschenk wird von den Berlinern gut angenommen?

Schlag: Davon bin ich überzeugt. Berlin ist sicher nicht sehr wohlhabend, aber die Bürger dieser Stadt verfügen über ein sehr großes Verständnis und Aufgeschlossenheit für soziale Fragen.

Was macht Sie da so sicher?

Schlag: Ohne die Großzügigkeit der Berliner hätte die Berliner Krebsgesellschaft ganz sicher nicht so lange und so produktiv in dieser Stadt wirken können. Außerdem zeigt ein Blick in die Geschichte, dass sich Berliner Bürger, Berliner Wissenschaftler, Berliner Ärzte, aber auch Administratoren sehr frühzeitig um die Belange von Krebspatienten gekümmert haben. Nehmen Sie etwa den Berliner Senatsrat Dr. Curt Meyer, der in den 1950er Jahren die ersten Beratungsstellen für Krebskranke organisierte. Oder Prof. Ernst von Leyden, der bereits im Jahr 1900 mit seinem Komitee für Krebsforschung ein erstes Krebsregister aufgebaut hat. Nicht zu vergessen Prof. Hans Gummel, der in Berlin-Buch ab 1949 den Aufbau einer interdisziplinären Krebsklinik entscheidend vorangebracht hat.

Dass Krebs den Berlinern nicht gleichgültig ist, zeigt auch das starke medizinische und wissenschaftliche Umfeld dieser Stadt.

Schlag: Das ist ein weiterer Punkt. Wir haben hier in Berlin Kliniken, universitäre und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen sowie Unternehmen, die sich speziell um onkologische Fragestellungen bemühen. Eine solche Ballung an Möglichkeiten gibt es sonst kaum an einem anderen Ort in Deutschland. Ich denke, das alles zusammen ist ein Humus, auf dem die Krebsstiftung wunderbar gedeihen kann.

Berlin hat aber auch viele Probleme. Bei der Zahl der Empfänger von Sozialleistungen ist die Hauptstadt deutscher Spitzenreiter. Ist das nicht ein Wehrmutstropfen für den fruchtbaren Boden?

Schlag: Berlin steht in der Tat vor gewaltigen Herausforderungen. Einmal, was die von Ihnen angesprochenen sozioökonomischen Verhältnisse betrifft. Hinzu kommt, dass Krebs eine Erkrankung der alternden Gesellschaft ist und sich die Metropole Berlin, genau wie andere Regionen auch, auf eine wachsende Zahl an Neuerkrankungen einstellen muss. Wir sehen heute zunehmend finanzielle Notsituationen im Rahmen einer Krebserkrankung. Diese Probleme werden sich weiter verschärfen. Aber genau deshalb brauchen wir mehr soziales Engagement und wie gesagt: Ich sehe den sozialen Geist auch und gerade in dieser Stadt.

Nun engagiert sich die Berliner Krebsgesellschaft ja seit mehr als fünf Jahrzehnten in Berlin. Reicht dieses Engagement nicht mehr aus oder warum haben Sie sich für die Gründung einer Stiftung entschieden?

Schlag: In Anbetracht des wachsenden Betreuungs- und Beratungsbedarfs von Krebspatienten brauchen wir ganz klar Verstärkung. Natürlich wird auch die Krebsstiftung Berlin die geschilderten Probleme nicht alle lösen können. Aber wir tragen als ein weiterer Mosaikstein dazu bei, dass dringend benötigte Hilfen, Informationen und Therapien schneller und direkter den betroffenen Berlinern zu Gute kommen. Dass eine Stiftung darüber hinaus auf mehr Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit angelegt ist als ein Verein, war ein weiterer Grund, die Stiftung zu gründen.

Was bedeutet mehr Nachhaltigkeit in diesem Zusammenhang?

Schlag: Alles, was die Stiftung tut, wird ausschließlich aus den Zinsen bzw. Kapitalerträgen finanziert. Das Stiftungskapital bleibt erhalten. Außerdem können sich Menschen durch Zustiftungen in die Stiftung einbringen und so das Stiftungskapital erhöhen. Auf diese Weise bleibt ihr Name auch in 100 Jahren noch bestehen, ebenso ihr Kapital. Insofern sichert die Stiftung unsere Vorhaben auf Dauer.

Was hat sich die Krebsstiftung Berlin für die nächsten Jahre vorgenommen?

Schlag: Ein besonderes Anliegen sind uns die Kinder krebskranker Eltern. Gerade in Berlin, wo es überdurchschnittlich viele Alleinerziehende gibt, ist die Situation besonders dramatisch. Deshalb werden wir das Projekt „Hilfen für Kinder krebskranker Eltern“ unterstützen und dafür sorgen, dass es weiter fortgesetzt und ausgebaut werden kann. Ein weiterer Schwerpunkt wird das Leben mit Krebs als chronische Erkrankung sein. Die Medizin hat ja glücklicherweise in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht, so dass immer weniger Menschen an Krebs sterben. Das bedeutet aber auch, dass immer mehr Menschen lange Zeit mit der Erkrankung leben. Herauszufinden, welche Beschwerden und Bedürfnisse chronisch Kranke haben, um den Betroffen dann gezielter helfen zu können, wird eine weitere große Aufgabe der Krebsstiftung sein. Last but not least werden wir natürlich auch dafür sorgen, dass die Krebsstiftung Berlin möglichst viele Unterstützer findet.

Wertvolle Unterstützung bekommen Sie bereits durch das Stiftungskuratorium. Da sind sehr bekannte Gesichter dabei. Claudia Nothelle und Wolfgang Thierse zum Beispiel.

Schlag: Ich bin außerordentlich dankbar dafür, dass sich sechs angesehene und viel beschäftigte Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Medien und Kultur bereit erklärt haben, im Stiftungskuratorium mitzuarbeiten. Diese Menschen zeigen Solidarität und übernehmen soziale Verantwortung. Das ist einfach großartig und könnte keine bessere Referenz für unsere neue Stiftung sein.

Interview: Beatrice Hamberger

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Peter M. Schlag ist Vorsitzender der Krebsstiftung Berlin sowie Vorsitzender der Berliner Krebsgesellschaft e.V. Außerdem ist er Gründungsdirektor des Charité Comprehensive Cancer Centers in Berlin.

 

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