Rund 600 Kinder erkranken jedes Jahr in Deutschland an einer akuten lymphoblastischen Leukämie (ALL).95 Prozent der betroffenen Kinder sprechen gut auf die Erstbehandlung an. Trotz dieser Behandlungsfortschritte erleiden aber etwa 20 Prozent der jungen Patienten innerhalb von zwei bis drei Jahren einen Rückfall, ein so genanntes Rezidiv. Da man die Dosis der Chemotherapie toxizitätsbedingt nicht beliebig erhöhen kann, haben die Wissenschaftler um Prof. Karl Seeger von der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Onkologie und Hämatologie der Charité eine neue Substanzkombination erforscht. Die Berliner Krebsgesellschaft hat das Grundlagenforschungsprojekt mit 75 000 Euro gefördert.
Um die Wirkung der Chemotherapie zu verstärken, haben die Wissenschaftler etablierte Zytostika, also Chemotherapie, mit Histondeacetylaseinhibitoren (HDACi) und mit Proteasom-Inhibitoren kombiniert. HDAC-Inhibitoren sind eine relativ neue Wirkstoffgruppe, die zum Beispiel in Form von Valproinsäure zur Behandlung von Epilepsie eingesetzt wird, aber inzwischen auch in der Krebsforschung eine große Rolle spielt. Bei dem Proteasom-Inhibitor Bortezomib handelt es sich um ein Medikament, das bereits zur Behandlung des Multiplen Myeloms zugelassen ist. Vereinfacht gesagt haben beide Medikamente einen Einfluss auf das Stoffwechselgeschehen der Tumorzelle, so dass die Chemotherapie besser angreifen kann.
Das Team konnte sowohl in Zellkulturen als auch im Mausmodell zeigen, dass das Wachstum der Leukämiezellen durch diese Kombination besonders gut gehemmt wird. So ließ sich die Zahl der vitalen Leukämiezellen durch die Kombinationsbehandlung weitaus besser reduzieren als mit der Chemotherapie alleine. Entscheidend für die Wirksamkeit war auch die Reihenfolge, in der die Substanzen verabreicht wurden.
Nicht zuletzt durch die Förderung der Berliner Krebsgesellschaft liegen den Kinderonkologen jetzt sehr gute präklinische Daten vor, so dass die neue Wirkstoffkombination demnächst im Rahmen einer großen europaweiten Studie klinisch erforscht wird. Im Rahmen dieser Studie werden dann Kinder, die auf die Erstbehandlung schlecht ansprechen oder ein Rezidiv entwickelt haben, mit der Kombination aus Zytostatika, HDAC-Inhibitoren und Bortezomib behandelt. Nach den vorliegenden Daten haben die Wissenschaftler berechtigte Hoffnung, dass die Kinder gut auf die neue Wirkstoffkombination ansprechen.
Stand: April 2012