Können Kinder nach Krebstherapie später eigene Kinder bekommen?

Können ehemalige kinderonkologische Patienten, die eine Chemo- oder Strahlentherapie erhielten, eigene Kinder bekommen? Und wie gesund kommen diese Kinder auf die Welt? Ein Team von Wissenschaftlern um die Kinderonkologin PD Dr. med. Anja Borgmann-Staudt von der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Onkologie und Hämatologie an der Charité ging diesen Fragen in verschiedenen Studien nach.

Bereits im Jahr 2008 zeigte eine bundesweite Umfrage einen Verdacht auf Unfruchtbarkeit bei 31 Prozent der nun erwachsenen weiblichen und 25 Prozent der männlichen Teilnehmer. Durch Auswertung der Daten von 2.800 ehemaligen kinderonkologischen Patienten konnten die Wissenschaftler signifikante Risikofaktoren identifizieren: Patienten, die eine Bestrahlung im Beckenbereich erhielten oder bei Therapiebeginn bereits in der Pubertät waren, sind demnach besonders gefährdet, Fruchtbarkeitsstörungen zu entwickeln. Die Wissenschaftler konnten auch einige fertilitätsschädigende Medikamente identifizieren. Bislang ist aber noch ungeklärt, ab welcher Medikamentendosis die fertilitätsschädigende Wirkung eintritt.

Longitudinalstudie: Spätfolgen nach Behandlung von Krebs im Kindesalter richtig einschätzen

Vor dem Hintergrund dieser erheblichen Infertilitätsproblematik starteten die Charité-Forscher 2011 eine Longitudinalstudie. Die Berliner Krebsgesellschaft hat die Studie mit einer Anschubfinanzierung gefördert. Die Forscher wollten herausfinden, wann Fruchtbarkeitsschädigungen auftreten und ob diese umkehrbar sind. Mit den Daten sollte künftig ein „reproduktives Zeitfenster“ bestimmt werden können, dass den Patienten erlaubt, vorbeugende Maßnahmen zum Fertilitätserhalt noch vor Beginn der Therapie zu ergreifen. Dazu zählen etwa das Einfrieren von Eizellen bzw. Samenzellen oder die operative Verlagerung der Eierstöcke aus dem Strahlenfeld.

In der Longitudinalstudie konnten die Wissenschaftler bereits zeigen, dass bei Männern die Zeugungsfähigkeit selbst nach Jahren wieder einsetzen kann. Bei Frauen konnte in der Regel keine längerfristige Erholung beobachtet werden, da im Falle einer Schädigung der Eierstöcke die Eizellreserven meist unwiderruflich vermindert sind. Viele ehemalige Krebspatientinnen kommen deshalb schon sehr früh in die Wechseljahre. Genauere Erkenntnisse zum reproduktiven Zeitfenster wollen die Wissenschaftler nun durch Fortsetzung der Longitudinalstudie auf internationaler Ebene gewinnen.

Nachkommenstudie: Sorge um erhöhtes Krebsrisiko bei Nachkommen bislang unbegründet

Darüber hinaus haben sich Dr. Anja Borgmann-Staudt und ihre Mitarbeiter in der „Nachkommenstudie“ mit der Frage befasst, wie gesund die Nachkommen ehemaliger kinderonkologischer Patienten sind. Auch diese Studie wurde von der Berliner Krebsgesellschaft gefördert. Viele Betroffene haben große Sorge, das eigene Kind könnte auch an Krebs erkranken. Bislang gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Nachkommen ein erhöhtes Krebsrisiko oder andere Gesundheitsrisiken haben. Umfassende Erkenntnisse werden nach Abschluss der Studie in den nächsten Jahren vorliegen.

Stand: August 2012

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