Forscher am Berliner Max Delbrück Centrum für Molekulare Medizin (MDC) sind auf der Suche nach neuen Angriffszielen im Hodgkin Lymphom. Ihre Grundlagenforschung soll helfen, entsprechende zielgenaue Substanzen zu finden, die weniger toxisch als die Chemotherapie sind. Im Mittelpunkt der Arbeit steht das Krebsgen Bcl-3. Bereits zu Beginn der 90er Jahre konnten Forscher um den Molekularbiologen Prof. Dr. Claus Scheidereit zeigen, dass das Bcl-3 Gen ein Protein kodiert, das an den Transkriptionsfaktor NF-?B bindet und dessen Aktivität beeinflusst. Ein paar Jahre später hat die Gruppe gemeinsam mit Charité-Wissenschaftlern nachweisen können, dass dieser Transkriptionsfaktor im Hodgkin-Lymphom stark aktiviert ist und sowohl das Absterben der Tumorzellen verhindert als auch die Proliferation antreibt.
Mit Unterstützung der Berliner Krebsgesellschaft sucht das Team von MDC-Forscher Claus Scheidereit nun nach Gen-Signaturen, die durch das Wechselspiel von Bcl-3 und NF-?B bedingt sind. Gen-Signaturen sind Datensätze, die zeigen, welche Gene hoch- oder herunterreguliert sind. Liegen diese Gen-Signaturen vor, weiß man mehr über die Regulationsmechanismen und ob Bcl-3 tatsächlich über NF-?B oder über andere Transkriptionsfaktoren wirkt und ob es andere Gene aktiviert oder unterdrückt. „Letztendlich geht es uns darum, die genauen onkologischen Funktionen von Bcl-3 zu verstehen, damit man dann gezielt in das Regulationsnetzwerk eingreifen kann“, erklärt Scheidereit.
Um die molekularen Netzwerke aufzudecken, nutzen die Forscherdas genomweite deep Sequencing. Die Vorarbeiten sind bereits abgeschlossen, das heißt, es wurden bereits Versuche gemacht, in denen Bcl-3 in Hodgkin-Lymphom-Zellen ausgeschaltet und seine genomweiten Bindungsregionen bestimmt wurden. Im nächsten Schritt werden die Forscher die Datensätze analysieren und mit den Veränderungen der Genaktivitäten und den entsprechenden NF-?B Datensätzen vergleichen. „Wir werden anhand der bioinformatischen Auswertungen sehen, welche Gene nach Ausschalten von Bcl-3 aktiviert werden und herausfinden, ob das auch Gene sind, die von NF-?B ebenfalls reguliert werden oder ob das nochmal andere Gene sind“, erläutert Scheidereit das Vorhaben.
Die Erkenntnisse sind übrigens nicht nur für das Hodgkin-Lymphom interessant, sondern auch für eine ganze Reihe anderer Lymphome und verschiedene solide Tumoren, etwa Brustkrebsmetastasen. In England wurde gerade eine Substanz entwickelt, die die Bindung von Bcl-3 an NF-?B hemmt. Das Mittel soll demnächst an austherapierten Patientinnen mit tripel-negativem Brustkrebs getestet werden. Die Hoffnung ist, die Metastasierung zu unterdrücken. Laut Scheidereit ist allerdings zu befürchten, dass damit auch wichtige Immunfunktionen beeinträchtigt werden, denn NF-?B ist auch an anderen Prozessen im Körper, insbesondere an Abwehrfunktionen beteiligt.
Ob es möglicherweise andere, weniger risikoreiche Angriffsziele gibt, wird sich im Laufe des Projekts herausstellen. Molekularbiologe Scheidereit ist zuversichtlich: „Ich bin sicher, dass sich durch unsere Arbeit eine Reihe von Proteinkinasen oder anderen geeignete Komponenten als Targets identifizieren lassen“, sagt er. Die Daten sollen später in internationalen Datenbanken publiziert werden, so dass sie von der gesamten Krebsforschung genutzt werden können.
Stand: Dezember 2015